Filmpolitik

Stellungnahme ORF-Gesetz

zum vorliegenden Ministerialentwurf
25.05.2023

Wien, der 24. Mai 2023

Ergeht an:

 

Betrifft:        Ministerialentwurf betreffend Bundesgesetz, mit dem das ORF-Gesetz, die Fernmeldegebührenordnung, das Fernsprechentgeltzuschussgesetz, das Finanzausgleichsgesetz 2017, das KommAustria-Gesetz, das Kommunikationsplattformen-Gesetz und das Fernseh-Exklusivrechtegesetz geändert werden, ein ORF-Beitrags-Gesetz 2024 erlassen wird sowie das Rundfunkgebührengesetz und das Fernmeldegebührengesetz aufgehoben werden (XXVII. GP, 266/ME)

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

Als Vertretung der Filmschaffenden erlaubt sich der Dachverband der Österreichischen Filmschaffenden (DVF), bestehend aus 17 Mitgliedsverbänden,
Austrian Composers Association
Drehbuchverband Austria
FC Gloria – Frauen Vernetzung Film,
Filmton Austria
Filmmakeup / Austrian Association of Film-Makeup, Hair and SFX Artists
Interessensgemeinschaft österreichischer Dokumentarfilm dok.at
Leuchtkraft – Österreichischer Berufsverband für Filmlicht und Grip
Österreichischer Regie-Verband ADA
aea – Österreichischer Verband Filmschnitt
Verband Filmregie Österreich
Verband Green Film Consultants Austria (VGFCA)
VOECD – Verband Österreichischer Casting Directors
VÖF – Verband Österreichsicher Filmausstatter*innen
VÖFS – Verband österreichischer FilmschauspielerInnen
AAC – Verband Österreichischer Kameraleute
Verband Österreichischer RegieassistentInnen, ADs und Script Supervisor
VÖAP – Vereinigung österreichischer AufnahmeleiterInnen, ProduktionsleiterInnen und ProduktionskoordinatorInnen

innerhalb der Begutachtungsfrist die nachstehende

Stellungnahme

zum vorliegenden Ministerialentwurf zum ORF-Gesetz abzugeben. Die Stellungnahme des DVF beschränkt sich auf Artikel 1 – Änderung des ORF-Gesetzes.

Der Dachverband der Österreichischen Filmschaffenden begrüßt die nachhaltige Sicherung der öffentlich-rechtlichen Stellung des ORF durch den ORF-Beitrag.

Der ORF ist der wichtigste Partner des heimischen Filmschaffens und ermöglicht gemeinsam mit den Filmschaffenden das vielfältige Film-, Fernseh- und Serienangebot. Dieser aus Österreich kommende Content ist das Alleinstellungsmerkmal des ORF, eine seiner wichtigsten Aufgaben und Pflichten und schafft und sichert so viele Arbeitsplätze.

Der Dachverband der Österreichischen Filmschaffenden fordert aber, dem ORF, der kultureller Nahversorger für alle ist, durch den geplanten ORF-Beitrag so viele Mittel zuzuführen, dass er seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag nicht nur erfüllen, sondern auch gesetzlich garantiert verstärkt in österreichisches Programm investiert.

Ergänzend sollte daher dem Gesetzesentwurf hinzugefügt werden, dass von den Einnahmen aus dem ORF-Beitrag bindend 20% für die Schaffung unabhängigen, österreichischen audiovisuellen Contents vorzusehen sind; diese 20% müssen in der österreichischen Filmwirtschaft und nicht irgendwo sonst hergestellt werden. Ein Vergleich mit öffentlich-rechtlichen Sendern wie dem ZDF (ca. 33%), der ARD (27%) und der BBC (mehr als 37%) zeigt, wie erfolgreich der Öffentlich-Rechtliche an heimischen Content gebunden sein kann.

Ebenso ist eine Valorisierung des Film-/Fernsehabkommens zu verankern, um die Incentivierung wirken zu lassen (siehe Anmerkung zu § 31 Abs 18).

Das österreichische Film- und Fernsehschaffen kann auf starke Fakten verweisen, um diese Forderungen zu rechtfertigen: Marktanteile, Quoten, seine internationale Tourismus-Wirksamkeit, seine außergewöhnlich großen, internationalen, cineastischen Erfolge und seine sehr hohe Umwegrentabilität sprechen für sich.

Auch gilt es gesetzlich eine Qualitätssicherung zu verankern. Die massiven Einsparungen der letzten Jahre führten zu Qualitätsverlust und wurden vor allem auf dem Rücken aller Filmschaffenden ausgetragen (negative Folgen für die Filmbranche durch Reduktion von Drehtagen bei gleichbleibendem Auftragsvolumen).

Die Einsparungen, die dem ORF auferlegt werden, dürfen nicht auf Kosten des österreichischen Filmschaffens gehen. Es bedarf einer gesetzlichen Nachschärfung, um sicherzustellen, dass der ORF (der im vorliegenden Entwurf relativ freie Hand bei den Einsparungen hat) nicht beim Programmbudget spart. Es besteht die Befürchtung, dass der ORF zukünftig weniger Programm herstellen bzw. in Auftrag geben wird, bzw. der Druck auf die Filmschaffenden verstärkt wird. Das muss vom Gesetzgeber verhindert werden.

Es muss in dieser Gesetzesnovelle daher vorrangig darum gehen, das erfolgreiche österreichische Filmschaffen zu garantieren und das gelingt nur mit einem starken ORF, der zu mehr aus Österreich stammenden Content verpflichtet wird.

 

Anmerkungen im Detail:

Zu § 3 Abs 5 Z 2: Begrüßt wird die Initiative für ein stärkeres Kinder- und Jugendangebot. Der Online-Kinderkanal muss in unseren Augen aber eine sehr starke österreichische Beteiligung aufweisen und das Vermitteln von Medienkompetenz zum Ziel haben. Das bedeutet vor allem eine Einbeziehung der heimischen Kreativen in die Content-Produktion ebenso wie in die Erstellung von Konzepten/Ideen für interaktive und zur Beteiligung ermutigenden Formate.

Zu § 3 Abs 5 Z 3 und 4: Die Schaffung von Kooperationsmöglichkeiten zwischen ORF und privaten Hörfunk- und Fernsehveranstaltern auf seiner Online-Plattform wird von den Filmschaffenden begrüßt. Die neue JOYN-Plattform ist hier richtungweisend und das Motto sollte sein „miteinander statt gegeneinander“.

Zu § 4e Abs 2: Angesichts der Herausforderungen eines immer umfassenderen Einsatzes von KI – Stichwort: Fake News – ist ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk als Fundament des Grundvertrauens der Menschen in demokratische Strukturen unverzichtbar.

In diesem Sinne ist jede Einschränkung seiner Möglichkeiten abzulehnen, wie zum Beispiel die massive Einschränkung der „Blauen Seite“, die vielen Menschen als verlässliche und vertrauenswürdige Informationsquelle dient. Durch die Reduktion der Textinhalte entsteht eine Lücke in der Berichterstattung, Einbettung und Kontextualisierung von Film im Speziellen und Kunst und Kultur im Allgemeinen. Aus Sicht der Filmschaffenden ist die Berichterstattung rund um den heimischen, aber auch rund um den europäischen Film qualitativ hochwertig und ein wichtiger Baustein zur Bekanntmachung von Filmen und sichert damit auch den Fortbestand des heimischen Filmschaffens und seiner Arbeitsplätze.

Zu § 4e Abs 4: „Catch Up TV“ Regelung Neu: Die Ablöse der Sieben-Tage-Bereitstellungsfrist von Sendungen auf der ORF-Plattform ist grundsätzlich zu begrüßen, sofern die längere Nutzungsdauer in den Verträgen des ORF mit den Filmschaffenden entsprechend angemessen vergütet wird (längere zeitliche Nutzungsdauer heißt grundsätzlich auch höhere Vergütung).

Zu § 4e Abs 5: Die Ermöglichung von Online-only-Inhalten des ORF wird aus Sicht der Filmschaffenden begrüßt (neue Formate sind potenziell neue Arbeitsplätze).

Hier wäre aber eine Nachschärfung mit einem verpflichtenden Anteil für österreichischen Nachwuchsfilm, Kurzfilme, experimentelle Formate u. Ä. notwendig. Die Sparte Unterhaltung (Filme, Serien) für Online-only-Inhalte ist gänzlich unberücksichtigt. Gerade Innovativer Film / Experimentalfilm, Kurzspiel-/dokumentarfilme oder Web-Serien sind populär (vor allem bei jüngeren Publikumsschichten) und schaffen weitere Arbeitsplätze. Die in den Erläuterungen angesprochene sensible Wettbewerbssituation würde aus Sicht der Filmschaffenden nicht belastet werden und das oben angeführte Programmangebot würde einer Auftragsvorprüfung nach § 6ff jedenfalls standhalten.

Zu § 7a Abs 12: Der Dachverband der Österreichischen Filmschaffenden begrüßt die geplante Offenlegung der Eigen- und Auftragsproduktionen als einen wichtigen und überfälligen Schritt.

In einem weiteren Schritt fordert der Dachverband der Österreichischen Filmschaffenden einen verpflichtenden Transparenzbericht des ORF, der Vergabepraxis in Bezug auf Genres, Sendeplätze, Produktionsfirmen usw. offenlegt, wie es etwa bei staatlichen Filmfördereinrichtungen üblich ist.

Auch eine – vom Dachverband der Österreichischen Filmschaffenden schon einige Male beim Generaldirektor vergeblich angefragte – Gender-Aufschlüsselung wäre in der vorliegenden Novellierung zu verankern.

Zu § 31 Abs 11 Z 4: Der Dachverband der Österreichischen Filmschaffenden fordert statt der Beibehaltung des Anteils an Eigen- und Koproduktionen im Informations- und Kulturspartenprogramm (§ 4c) eine schrittweise Steigerung des diesbezüglichen Anteils (ähnlich zu Ziffer 2).

Zu § 31 Abs 18: Das Film-/Fernsehabkommen ist unerlässlich in der Herstellung des österreichischen Kinofilms. Die dafür aufgebrachten Mittel von 8 Mio. € wurden in dem vorliegenden Gesetzesentwurf nicht angeglichen (die letzte Wertanpassung erfolgte 2011). Dringend braucht es eine Valorisierung, um den Wertverlust auszugleichen.

Leider findet sich auch keinerlei Bemühung, den ORF aus parteipolitischer Abhängigkeit zu befreien, – in den Augen des Dachverbandes ein unumgänglicher Schritt.

Es ist bedauerlich, dass diese Chance zur Unterbindung politischer Einflussnahme nicht genutzt und vor allem, dass die langjährige Forderung des Dachverbandes nach einer Vertretung der Filmschaffenden im Stiftungsrat nicht erfüllt wurde.

Zu kritisieren ist auch, dass weder der Dachverband der Österreichischen Filmschaffenden noch einer seiner 17 Mitgliederverbände zur Begutachtung des vorliegenden Entwurfs eingeladen wurden. Dies ist umso unverständlicher, als die österreichischen Filmschaffenden ganz entscheidend dazu beitragen, dass der ORF seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag überhaupt erfüllen kann.

 

DVF_Stellungnahme_250523

https://www.parlament.gv.at/PtWeb/api/s3serv/file/58fe399f-dd4a-44b4-9d8a-ebdf6a3896bd

Weitere Artikel aus dem Bereich